Der Marburg Con 2000
Erster Tag (Freitag)
Mein Arbeitstag war verhältnismäßig ruhig verlaufen
und ich kam mit etwas Verspätung zu Hause an. Um 19 Uhr sollte das
abends losgehen,
ich hatte also noch Zeit für eine Dusche und das Studium der
Anfahrtskizze.
Dann ging´s los in Richtung Süden. Der erste Versuch die
ominöse Pizzeria zu finden scheitert an einer soeben
eröffneten
Baustelle. "Dritte Straße links.... oh,was´n das?.... zwo,
drei... hier muß es
sein... oder auch... doch nicht....ähem.." Aber beim zweiten
Anlauf
(Marburg is eine dieser typischen hessischen Kreisverkehrsstädte,
einmal
falsch bedeutet dann: begib dich zurück zum Start, gehe nicht
über Los, ziehe nicht... na du weißt schon. Jedenfalls steh
ich endlich vor´m
Ziel und sehe eine freie Parklücke. Das Schild "Anwohnerparkplatz"
hab ich mal geflissentlich übersehen. Neben mir stand schon ein
Wagen
mit Lippstädter Kennzeichen. Was denn, Werner K. Giesa? Leider
war er´s aber dann doch nicht. Ich betrat also das "Santa Lucia"
und
drinnen hockt schon der "harte Kern" des Marburger Vereins für
Phantastik, dem ich selbst seit einem Jahr angehöre. Ich lasse
mich
nach
einer kurzen Vorstellung neben einen älteren Herren fallen, der
fortwährend lächelt. Im Laufe der nächsten halben Stunde
erfahre ich, daß
es sich um Reinhard Theuermeister, den Stargast des Abends handelt,
der munter von seinen Büchern erzählt und ständig das
Gespräch
auf eine Kurzgeschichte namens "Bravissimo in San Lorenzo" bringt.
Daher weht also der Wind. Man liest die Kurzgeschichten, die für
den diesjährigen Marburg-Award eingereicht wurden. Ich war
natürlich
zu faul eine zu schreiben und beschränke mich daher aufs
zuhören.
Die Geschichte vom Kollegen Theuermeister, der mir schon die zweite
Visitenkarte zugesteckt hat, verpasse ich irgendwie. Schließlich
kommt das Thema auf alte Grusel-Heft-Romane und ich kann endlich
zumindest
ansatzweise mit Fachwissen glänzen. Das anschließende
Pizzaessen gerät zum Desaster, weil Herr Theuermeister munter
schwatzend durch den Saal tapert und ich bei der Hälfte der Pizza
feststelle,
daß ich seine erwischt hab.
Theuermeister mokiert sich darüber das sich da Zwiebeln und Fisch
auf seiner Pizza befinden und schielt dauernd auf meinen Teller. Ich
beeile
mich mit dem Essen, bin aber bereits durchschaut. Naja, man beruhigt
sich wieder und kurze Zeit später erzählt er schon wieder von
seinem
Buch. Ich konnt aber auch ehrlich nix dafür, ich hab nur gegessen,
was man mir hingestellt hat. Jawollja.
Als ich schließlich auf die Uhr gucke, isses plötzlich
nachts
um kurz nach eins und ich bin weit weg von daheim. Aber es brechen
sowieso
grad alle auf und die Gesellschaft zerstreut sich. Am Wagen angekommen,
registriere ich erfreut, daß die Kiste noch da steht und nich mal
ein Knöllchen is dran. Auf dem Nachauseweg gerate ich dann
natürlich
noch zu früh von der Schnellstraße und muß bei
beginnendem
Morgengrauen durch mittelhessische Dörfer schleichen.
Zu Hause angekommen bleiben mir noch knappe drei Stunden zum schlafen.
Hoffentlich werd ich rechtzeitig wach, denk ich noch, und
bin auch schon eingeschlafen. (diesen Satz hab ich schon in ca. 300
mäßigen Jugendbüchern gelesen und nie verliert er
seinen
erfrischenden
Charme, grins)
Zweiter Tag (Samstag)
Wie meistens weckt mich schon das Geräusch, das der CD-Player
macht,
wenn das Display anspringt. Ich wälze mich im Bett herum und
kneife die Augen zusammen, "Wo is denn wieder diese Fernbedienung?"
Die CD beginnt zu spielen und diesmal heute weckt mich "Riding the
Storm" von Running Wild. Was soll jetz noch schiefgehen, wo der Tag
schon so amtlich angefangen hat? Ich bin trotz fehlendem Schlaf total
motiviert und dusche (wegen des immer noch... oder schon wieder
vorhandenen
Sonnenbrands) mal wieder kalt an diesem Morgen. Jetz noch
ein Kaffee und ich bin schon nicht mehr nur wach, sondern schon fast
total überdreht. Ich packe also meinen Rucksack mit Büchern
voll,
deren
Autoren ich heute treffen werde und lasse mir alle Zeit der Welt, die
Musik für die Anfahrt zusammenzustellen. Wo bleibt bloß
Nadine?
Die soll
doch mit. Pünktlich wie die Maurer trifft sie schließlich
ein und es geht los in Richtung Wehrda. Trotz (oder wegen) der
Unterstützung
durch
meine Navigatorin verfahr ich mich prompt im riesigen Gewerbegebiet
und rumpele auf den Hof einer Tankstelle. So furchtbar falsch waren
wir gar nicht und nachdem wir den halben Weg zurückgefahren sind,
erblicke ich das Bürgerhaus in dem sich der eigentliche Con(vent)
abspielt.
Ich stoppe den Wagen und wir betreten ehrfürchtig den großen
Saal. Überall haben Händler und Verlage ihre Stände
aufgebaut,
in einem
Nebenraum wird eifrig gewerkelt und immer mehr Leute strömen
herbei.
Ich mache mich sofort daran allen ganz aufdringlich auf die
Namensschilder zu stieren (Mitglieder und VIPs tragen nämlich
welche, und ich grinse dauernd weil ich eins habe und Nadine nicht) um
bekannte Leute auszumachen. Eine Menge Leute liefen aber ohne
Namensschild
rum und so muß ich schließlich Thomas V. (die Con-Maschine)
bitten, mir mal ein paar Leute vorzustellen.... so aus der Entfernung.
Nadine hat sich in der Zwischenzeit bei den Scherzartikelständen
umgesehen
und dauernd mit ihrem Handy an ihre Kommilitonen gemailt, wie
laaaangweilig
das alles wär....
Und dann kam der schicksalhafte Moment, wo ich die Preise der Tombola
gesehen hab. Da erblicke ich das von mir schon so lange gesuchte
„Der Kristall der Macht“ von W. K. Giesa. Ich fragte also, wieviel
ein Los kostet und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Ich
ergänze
zunächst
meine Sammlung um eine interessante Bücher und investiere dann
eine nicht unerhebliche Summe in Lose. Da die Nieten sehr rar
gesät
sind, füllt
sich zuerst mein Rucksack, dann der Rücksitz im Auto mit
Büchern.
Unter ihnen befinden sich ein paar echte Juwelen, aber das
gewünschte
Exemplar ist natürlich nicht dabei. Als die eiserne Reserve (soll
heißen: der Gegenwert der Tankfüllung fü die
Rückfahrt)
erreicht ist, breche ich
den Losekauf ab und genieße die weiteren Programmpunkte. Die
Lesung des Herrn Theuermeister ist... bizarr. Am Ende ist der Saal bis
auf 6
Mann (meine Wenigkeit und Nadine mitgerechnet) leer. Ich hab dann das
Buch doch nicht gekauft.
Ganz anders sah die Sache bei Walter Appel aus, der das Konzept seines
neuen Buchs vorstellte und dann einige witzige Mehrzeiler zum besten
gab. Der geborene Entertainer. Hatte ich schon erwähnt, daß
Walter Appel während der vorangegangenen Lesung betont
"unauffällig
und leise"
sein Skript korrigierte und dabei Salzstangen aß? Da inzwischen
die Tomobola beendet ist, erkundige ich mich dezent nach dem Verbleib
der
verbleibenden Preise. Das begehrte Buch ist nicht verlost worden. Ich
errechne blitzschnell das das Gewicht des Buchs exakt der gerade
noch zu verkraftenden Zuladung meines Kraftfahrzeugs entspricht und
kaufe es dann. Mit leuchtenden Augen lass ich es mir dann noch vom
Autor signieren. Ein weiterer Höhepunkt dieses Tages.
Anschließend wurde es spannend. Martin Dembowsky (Gründer
des damaligen Marburger Horror-Clubs, heute MVP) hielt eine Laudatio
zum Thema Utopie. Um dieses Thema wurden die Kurzgeschichten für
den Marburg-Award gestrickt. Den ersten Preis (war glaub ich ein
Haus auf Sylt und ein lebenslanges Zamorra-Abo) räumte Klaus Neff
ab, einen zweiten und einen dritten Sieger gibt es auch noch und die
weiteren Platzierungen werden ebenfalls beklatscht.
Den Abschluß dieses Abends und den eigentlichen Höhepunkt
des Cons (meine Meinung) bildet die Vorführung des Films "Das
Grauen
aus
der Gruft". Eine Verfilmung durch die Kasseler Gruppe um WKG und Rolf
Michael, des gleichnamigen Magier-Romans, der später zum
Zamorra umgeschrieben wurde.. oder so...WKG hat´s erzählt
aber ich war ein wenig ..ähem.. unaufmerksam. Der Film besticht
jedenfalls
durch eine tolle Synchronisation und gelungene Special-Effects. Die
kurze Pause in der Mitte des zweiteiligen Films nutzen zwei amtierende
Robert Lamonts (WKG und Claudia Kern) zu einer kleinen Vorführung
unter dem Motto: Wie repariere ich mit Bordmitteln einen
Super8-Projektor. Claudia Kern hat dabei eindeutig die ruhigere Hand
und bringt ihn wieder zum laufen. Irgendwann gegen kurz nach 11
haben alle im Saal ziemlich kleine Augen (und einmal hätt ich
schwören können Martin schläft) und so brechen wir auf
gen
Heimat.
Aufgrund von chronischem Schlafmangel erlebte ich das literarische
Brunch am Sonntag nicht mehr. Nächstes Jahr halt ich länger
durch.